Headline: Tiefseebergbau: Verhandeln über das Schicksal des gemeinsamen Erbes der Menschheit

ISA Versammlung
Die Verhandlungen über Abbauvorhaben in der Tiefsee sind in eine neue Phase eingetreten und finden bei der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) statt, sie ist die durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen geschaffene globale Regulierungsbehörde. IASS/ S. Christiansen

Die Verhandlungen über internationale Regelungen für den Tiefseeboden werden von den teilnehmenden Regierungen vom 21. März bis 1. April 2022 bei der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) fortgesetzt. Ein Team vom IASS wird im Rahmen eines Forschungsprojekts zu Umweltstandards im Tiefseebergbau an der 27. Sitzung des ISA-Rates teilnehmen.

Die Verhandlungen über den Abbau von Mineralien wie Kupfer und Kobalt in der Tiefsee sind in eine neue Phase eingetreten. Nachdem Nauru im Juni 2021 den so genannten "Zweijahreszeitraum" (im Englischen: two year trigger) ausgelöst hat, muss die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA), die durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen geschaffene globale Regulierungsbehörde, bis Mitte 2023 ihre Vorschriften fertigstellen, die es erlauben würden, mit dem Tiefseebergbau zu beginnen. Die ISA regelt den gesamten Mineralienabbau auf dem Meeresboden unterhalb der Hohen See, in Gebieten außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit.

Der Abbau von Bodenschätzen auf dem Meeresboden ist nach wie vor sehr umstritten, da er zwar einen Beitrag zu den Rohstoffversorgungsketten leisten kann, aber auch erhebliche Umweltrisiken mit sich bringen würde. Zu den Umweltauswirkungen des Tiefseebergbaus gehören der wahrscheinliche Verlust der biologischen Vielfalt und andere lang anhaltende und unumkehrbare Folgen. Ein zentrales Problem ist auch der Mangel an wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Tiefsee, der eine genaue Vorhersage des Ausmaßes der schädlichen Auswirkungen des Tiefseebergbaus erschwert, wie etwa das Aussterben von Meeresarten. Der Mangel an Daten ist besonders gravierend, da die Bergbautechnologie noch nicht erprobt ist und die ISA den Testbergbau noch nicht angemessen geregelt hat.

Immer mehr große Unternehmen haben begonnen, die Nutzung von Mineralien aus der Tiefsee wegen der ungewissen, aber potenziell erheblichen Umweltauswirkungen abzulehnen. Wissenschaftler fordern eine Pause beim Abbau von Bodenschätzen bis die Auswirkungen besser bekannt sind und die Position der Bergbauunternehmen, dass Bodenschätze zu einer grünen Wirtschaft beitragen würden, überprüft und aus der Perspektive des gesamten Lebenszyklus bewertet werden können. Neben den Umweltrisiken gibt es noch zahlreiche ethische Bedenken im Zusammenhang mit dem Tiefseebergbau, auch für die pazifischen Inselstaaten sowie allgemeine Bedenken hinsichtlich des Zugangs zu Bergbautechnologien.

In den vergangenen Jahren hat das IASS mehrere Forschungsprojekte und Diskussionen zum Thema Tiefseebergbau durchgeführt, darunter frühere Projekte zum Testbergbau und zu Umweltschutzmaßnahmen sowie das aktuelle Projekt zu Umweltstandards für den Tiefseebergbau. Diese Projekte haben zu zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen über rechtliche und verwaltungstechnische Herausforderungen geführt. Im Rahmen dieser Projekte, die vom deutschen Umweltbundesamt (UBA) finanziert und in Auftrag gegeben wurden, hat das IASS auch die deutsche Delegation bei der ISA in Fragen der Umwelt-Governance für den Tiefseebergbau wissenschaftlich, rechtlich und politisch beraten. Dies umfasste die Mitentwicklung und Organisation verschiedener nationaler und internationaler Workshops und anderer Veranstatungen zu diesem Thema. Unser Projektteam hat außerdem detaillierte Stellungnahmen zu einer Reihe von ISA-Entwürfen abgegeben. Diese Stellungnahmen können den Staaten bei den Verhandlungen über die künftigen Bergbauvorschriften helfen, die auf der Tagung des ISA-Rates vom 21. März bis 1. April 2022 online fortgesetzt werden und am ISA-Hauptsitz in Kingston, Jamaika.

Standards und Leitlinien für das Umweltmanagement des Tiefseebergbaus

Ein wichtiger Punkt auf der Tagesordnung der Ratstagung wird die Erörterung der Standards und Leitlinien für das Umweltmanagement des Tiefseebergbaus sein. Bislang hat die ISA noch keine konkreten Ziele und Vorgaben für den Umweltschutz formuliert. Diese sind jedoch erforderlich, um überprüfen zu können, ob ein Bergbaubetreiber seine Umweltziele erreicht. Ebenso fehlen noch robuste Umweltgrundlagen, die eine Voraussetzung für die Vorhersage und Bewertung der wahrscheinlichen Umweltauswirkungen von Testbergbau und kommerziellem Bergbau sind. Auf ihrer Sitzung im März 2022 werden die ISA-Mitgliedstaaten und Beobachter Entwürfe für Umweltvorschriften erörtern, um diese Probleme anzugehen.

Ein weiterer Punkt auf der Tagesordnung sind die finanziellen Bedingungen für künftige Bergbauverträge. Da die internationale Tiefsee und alle darauf befindlichen Mineralien rechtlich als gemeinsames Erbe der Menschheit eingestuft sind, muss ein Teil der Gewinne aus dem Bergbau mit der gesamten internationalen Gemeinschaft geteilt werden. Es bleibt jedoch unklar, in welchem Umfang und mit welchen Mitteln ein solcher Vorteilsausgleich erfolgen wird. Das IASS hat in diesem Themenbereich eine inhaltliche Vorreiterrolle eingenommen, um eine gerechte Aufteilung von Gewinnen zu erreichen.

Die Arbeit der ISA bleibt weiterhin hinter den modernen Erwartungen in Bezug auf Transparenz, öffentliche Beteiligung und gute Regierungsführung zurück, da Verhandlungen vielfach hinter verschlossenen Türen und ohne öffentliche Aufzeichnungen stattfinden. Ein erster Schritt, um diese Lücke zu schließen, war der Entwurf der ISA für eine Strategie zur Kommunikation und dem Einbeziehen von Interessengruppen der Ende 2020 vorgelegt wurde. In zahlreichen Stellungnahmen von Interessengruppen wurde jedoch kritisiert, dass dieser Entwurf nicht zu mehr Beteiligung und Transparenz führt. Doch diese Stellungnahmen wurden von der ISA noch nicht veröffentlicht und die Arbeit an der Strategie scheint ins Stocken geraten zu sein. Es bleibt abzuwarten, ob im Jahr 2022 Fortschritte erzielt werden können.

Eine weitere brennende Frage, die von der ISA noch nicht ausreichend berücksichtigt wurde, ist das rechtliche und institutionelle Zusammenspiel mit anderen internationalen Organisationen und Abkommen, insbesondere mit dem künftigen rechtsverbindlichen Instrument für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt der Meere außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit (BBNJ). Seit 2018 verhandeln die Vereinten Nationen parallel zur Entwicklung des ISA-Regelwerks über diesen so genannten "Hohe-See-Vertrag". Obwohl durch den Tiefseebergbau negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt der Tiefsee in diesen Gebieten zu erwarten sind, wurden bisher keine formellen Verknüpfungen oder Kooperationsmechanismen in Betracht gezogen.

Alles in allem hat die ISA ein arbeitsreiches Jahr vor sich, in dem drei Sitzungen geplant sind: jeweils eine im März, Juli und November. Und auch andere wichtige meerespolitische Prozesse außerhalb der ISA, darunter die UN-Ozeankonferenz 2022 in Lissabon sowie die deutsche G7-Präsidentschaft, bieten geeignete Orte, um die Folgen und Governance des künftigen Tiefseebergbaus für die Nachhaltigkeit der Ozeane zu diskutieren. Mehrere Beobachtende aus Forschungsorganisationen, der Zivilgesellschaft und weiteren Gruppen werden sich aktiv an den Verhandlungen beteiligen.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die schwerwiegenden globalen Spannungen, die durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine und durch Covid-19 entstandene Einschränkungen, auf die Diskussionen bei der ISA auswirken werden. Mehr denn je ist eine kritische öffentliche Teilnahme an den Verhandlungen wichtig, um sicherzustellen, dass die besten Umweltpraktiken, soziale Gerechtigkeit und der Vorsorgeansatz gewahrt bleiben.

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